Aus Sicht der Jugend

Auszug aus Peter Egg: Jugendbeteiligung aus der Sicht der Jugendlichen. Jugend und Partizipation ernst nehmen. VDM: Saarbrücken, 2008.

1. Partizipation – wie das junge Menschen definieren würden
 
1.1. ernst nehmen
 
Mitbestimmung hat für Jugendliche  auf alle Fälle etwas zu tun mit „ernst genommen werden“. Ohne die prinzipielle Haltung, dass man den Nächstbesten, der sich im Umfeld aufhält, prinzipiell in seinem Denken, Fühlen und Handeln ernst nimmt, wird man Menschen nicht ernst nehmen. Bevor man Menschen einteilt in generationale Kategorien (jung – alt), in soziale Kategorien (Unterschicht – Mittelschicht usw.) oder in sonstige Kategorien, wäre diese prinzipielle Haltung gegenüber jedem Menschen ohne Blick auf Alter, Herkunft, Geschlecht usw. notwendig. Junge Menschen weisen natürlich darauf hin, als direkt Betroffenen der gesellschaftlichen Ausgrenzung des Zugangs zu den meisten relevanten Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen: 
 
m16: Mitbestimmung hat eigentlich viel mit ernst genommen werden zu tun. Man lasst nur jemanden ernsthaft mitreden, wenn man den auch wirklich ernst nimmt. Deshalb gibt es auch das Problem bei z.B. Jugendmitbestimmung, dass unsere Gemeinde, meiner Meinung nach, uns nicht wirklich ernst genommen hat. Wir haben  einen Brief an die Gemeinde geschrieben und haben dann eine ziemlich pampige Antwort bekommen. Eher so, jaja, passt schon. (MC JGrZ A136FF)
 
m16: Mitspracherecht, ich würde sagen, dass da so eine Art Mitspracherecht wäre für uns, dass sie unsere Meinung in das ganze einbauen. Im Moment ist es so, dass die Jugendlichen sagen können, was sie wollen, nur spätestens nach 10 Minuten lachen sie nur mehr. Wenn ich mit den älteren im Zug rede, zum Beispiel über die Haltestellen vom Zug, dann sagen sie nur: sei du still, du bist noch zu jung. Da habe ich mir gedacht: was soll denn das schon wieder. Sie meinen, du bist jung und weißt nicht so viel. (MC JJSta A053FF)    
 
Jugendliche des Kufsteiner Jugendgemeinderates sind auch bei der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ dabei. Dort erleben sie viel an Mitbestimmung und beschreiben warum sie sich dort ernst genommen fühlen:
w17: Amnesty hört auf junge Leute und das immer mehr. In Salzburg war jetzt ein Treffen aller Jugendgruppen in Österreich, wo sich alle, die für Amnesty etwas tun, getroffen haben. Da wurden wir dann in den Workshops gefragt, was wir wichtig und gut finden, was wir tun würden. Das war auf jedem Flyer wo Young Amnesty drauf gestanden ist und im Internet haben sie den Satz: „Engagement für Menschenrechte kennt keine Altersgrenze“ und das, finde ich, ist überall so. Amnesty sehen dich nicht als 12-jährigen, sondern sie sehen dich als Mensch. Da darfst du deine Meinung auch sagen, wenn du erst 15 bist, weil vielleicht ist es für etwas gut. (Tracer KuJu 39’31“ ff)
 
Letzteres sollte generell eine grundsätzliche Haltung sein: jemanden nicht nur durch das Alter zu definieren, sondern egal wen primär als Mensch zu sehen. Es soll jeder seine Meinung sagen können, vielleicht ist es für etwas gut.
w17: Mitbestimmung heißt für mich, dass in der Gesellschaft jede Stimme den selben Wert hat, dass auch auf alles ein bisschen gehört wird, weil ich finde, dass das die Gesellschaft insgesamt bereichert. (Tracer KuJu 49’47“ ff)
 
 
1.2. ernst nehmen – nicht nur so tun
 
Unter „ernst nehmen“ verstehen die Jugendlichen auch, dass Entscheidungsträgerinnen nicht nur so tun, als ob sie in verschiedenen Bereichen aktiv sind und alles verharmlosen, sondern sich der Dinge in zeitlich absehbaren Intervallen auch annehmen, sodass auch eine spürbare Wirkung zu verzeichnen ist und die Jugendlichen dann noch zur Passivität angehalten werden:
 
w17: Zum Beispiel, warum es keine Spielplätze am Inn gibt, weil es genug Plätze geben würde, wo das gehen würde. Wir haben eben Dinge in Frage gestellt, wo wir nicht verstanden haben, warum es das nicht geben kann. (MC JGrZ A140FF)
m18: Sie haben das eigentlich immer abgetan.  (MC JGrZ A142FF)
w17: Der Bürgermeister hat dann einen Brief retour geschrieben, dass wird sowieso gemacht, bei jedem Punkt, da wird eh schon darauf geschaut und wenn man dann ein Jahr später geschaut hat, ist wieder nichts passiert. Das war dann eher so: seid zufrieden und es wird schon irgendwie gehen. (MC JGrZ A144FF)
 
m18: Mitbestimmung ist, wenn es heißt, dass für eine bestimmte Gruppe etwas getan wird und die Gruppe auch gefragt wird, was gemacht werden soll, wie das gemacht werden soll und dass man da wirklich kreativ sein kann. (MC JFK A242FF)
 
 
1.3. Gremien öffnen
 
Jugendliche finden auch, dass das Gremium Gemeinderat sich öffnen sollte und sich direkt mit der Bevölkerung, hier also der jungen Bevölkerung, miteinander setzen. 
m17: Mitbestimmung heißt für mich, dass mehr Jugendliche zum Beispiel zu Gemeinderatssitzungen selbst hingehen und dass die Dinge mehr mit dem Volk abgestimmt werden, dass die Jugendlichen mitreden können und dass man nicht zu den Jugendlichen sagt: ihr wisst nichts. (MC JJSta A092FF)    
 
m16: Mitbestimmung heißt für mich, dass jeder das Recht hat mitzubestimmen was gebaut wird. (MC JJSta A094FF)    
 
 
1.4. Meinungsfreiheit
 
Mitbestimmung hat für Jugendliche auch etwas zu tun mit „Meinungsfreiheit“. Jeder sollte seine Meinung einbringen können ohne Angst vor irgendwelchen Konsequenzen, Sanktionen, usw.. 
 
w17: Wenn du Teil einer Gesellschaft bist, muss es die Gelegenheit geben, den Mund aufmachen zu können, das ist der Sinn einer Demokratie. (Tracer KuJu 48’36“ ff)
 
m18: Mitbestimmung heißt für mich, dass ich jederzeit meine Meinung einbringen kann und das auch akzeptiert wird, dass sie wahrgenommen wird und dass ich dadurch auch etwas bewirken kann. (Tracer KuJu 51’13“ ff)
 
 
Eine selbstkritische Wahrnehmung, dass es auch Arbeit bedeutet, zu einer Meinung über einen Sachverhalt zu kommen, wurde auch als wichtig empfunden:
 
m17: Mitbestimmung heißt, dass prinzipiell jeder seine Meinung einbringen kann. Aber es sollte schon auch vorausgesetzt sein, dass der, der sich einbringt, auch eine Meinung hat. Es ist absolut wichtig, dass Leute daran arbeiten, dass sie eine Vorstellung von etwas haben und nicht einfach Meinungen kopieren und das so übernehmen.  (MC JGrZ A010FF)
 
 
1.5. mitreden, mitbestimmen, mitgestalten
 
Ein höherer Beteiligungsgrad als nur die Meinungsfreiheit ist das Mitreden und vor allem das Mitbestimmen. 
 
m21: Mitbestimmung heißt für mich, dass junge Leute wirklich bei jedem Projekt, das im Ort startet, die Jugendlichen mitreden können und mitbestimmen dürfen. (MC JFObdf A010FF)    
 
Es ist aber nicht immer einfach für Jugendliche im öffentlichen Leben, nach Meinung von Jugendlichen,  initiativ zu werden und die Courage aufzubringen, ein Projekt wirklich durch zu führen.
 
m19: Mitbestimmung heißt für mich in erster Linie einmal Mitgestaltung im öffentlichen Bereich, also man beklagt sich immer, dass alles mögliche fehlt, da muss man eben etwas dann auch tun. Wir haben versucht einmal etwas zu tun. Das größte Problem bei den Jugendlichen ist, dass sie etwas wollen, aber sie wissen nicht, was gemacht wird und sie ergreifen nicht die Initiative, dass etwas gemacht wird. (MCSeBa, Seite A, 28’18’’ff)
 
m19: Das Hauptproblem ist eben, dass man die Courage hat, dass man selbst etwas macht. (MCSeBa, Seite A, 29’31’’ff)
 
1.6. gemeinsam entscheiden und gestalten
 
Das Ungleichgewicht der Machtverteilung von den älteren und jüngeren Populationen prinzipiell empfinden Jugendliche immer wieder als nicht gerechtfertigt, was auch einer modernen kommunalen Kommunikationskultur nicht mehr gerecht wird:
 
w17: Ich würde es wichtig finden, dass sich nicht nur die Erwachsenen zusammen setzen und bestimmen, ja, so geht es weiter und so und dass die Jugendlichen einmal sagen können, was ihnen wichtig ist und mehr Rechte haben. (MC JGrZ A128FF)
 
Vor allem auf der Umsetzung der Menschenrechte gibt es hier noch viel zu tun. 
Um gemeinsam entscheiden und gestalten zu können ist es notwendig, dass man sich in regelmäßigen Abständen trifft und die Kommunikation pflegt, intensiviert und vertieft.
 
m17: Dass man auch die Möglichkeit bekommt, also regelmäßig mit Leuten die sprechen, die etwas bewegen können, nicht, dass das nur einmal im Jahr ist, weil dann wird das nur wieder vergessen, sondern dass das wirklich regelmäßig ist und dass das auch ernst genommen wird, was da gesagt wird. (MC SillHitte A191FF)
 
 
1.7. von der Jugend aus entwickelt
 
Wenn Ideen, Vorhaben, Projekte überhaupt ohne Zutun von Erwachsenen entstehen ist dies der optimalste Fall, der eintreten kann. Das hat dann auch mit Selbstbestimmung zu tun, meistens stehen die Jugendlichen doch irgendwie in Interaktion mit verschiedenen Stellen, daher hat es auch mit Mitbestimmung mit unterschiedlichem und wechselndem Beteiligungsgrad zu tun. Mit Mitbestimmung hat es auch insofern zu tun, weil Jugendlichen sich Anteile aus der Gesellschaft aneignen oder organisieren und im Prinzip Einfluss nehmen auf den Gesamtverlauf einer Gesellschaft und diese so mitbestimmen. Selbstbestimmung hat die Grenzen in der Mitbestimmung anderer, das heißt, dass nicht auf Kosten anderer die Leute selbst bestimmen. Deswegen wird es immer eine Gratwanderung zwischen Mitbestimmung und Selbstbestimmung geben und verschiedene Phasen der Selbstbestimmung und der Mitbestimmung geben. Wenn ein Projekt direkt von den Jugendlichen in die Welt gesetzt wird, nennt man so einen Vorgang „bottom up“. Das sind sehr oft sehr substanzielle Vorhaben mit sehr viel Identifikation und Engagement.
 
m18: Was ich eigentlich ganz toll finde, ist eigentlich, dass wir wirklich alles ganz alleine gemacht haben, das wir ganz jung hat, und dass da keine ältere Person war, die gesagt hat: so müsst ihr das machen, das ist alles von uns aus entwickelt worden, auch die ersten Veranstaltungen, haben wir alles von uns aus selber gemacht, da hat keiner von den Älteren etwas gesagt, wie wir das machen sollen, also, dass wir das alles alleine geschafft haben. (MC SillHitte A206FF)
 
1.8. Mitbestimmung auf allen Ebenen
 
Mitbestimmung bedeutet für Jugendliche auch, dass junge Menschen in allen möglichen gesellschaftlichen Entscheidungsebenen mit eingebunden werden. Vor allem müsste das einmal vorderhand passieren in allen Fragestellungen, die unmittelbar junge Menschen tangieren: 
 
m17: Es wäre schon wichtig, dass auch im höheren Bereich Jugendliche mitbestimmen können, aber das müsste auch freiwillig passieren. Es wäre aber wichtig, dass dort auch Jugendliche sitzen, nicht dass irgendwer abstimmt, der einfach keine Ahnung von Jugendlichen hat und den es auch nicht interessiert. Zum Beispiel im Parlament, in den ganzen Ausschüssen, sollten normale Leute, die das eben interessiert auch dabei sein, man müsste dort irgendetwas andocken, damit dort nicht nur Politiker drinnen sitzen. Beim Gemeinderat sollte sich auch die Bevölkerung mehr beteiligen können. So eine frühe Form der Demokratie hat es schon bei den Maja gegeben, da ist jeder dabei gewesen: Soldaten, Mütter, Bauern, aus jeder Bevölkerungsschicht jemand. (MC JGrZ A010FF)    
 
m18: Die Unterstützung vom Land ist natürlich auch ganz wichtig, dass man da mitbestimmen kann, dass dort auf die Jugendlichen gehört wird, ganz, ganz wichtig, an dieser Stelle auch danke an das JUFF: (MC SillHitte A199FF)
 
1.9. Mitbestimmung schafft Selbstwert
 
Mitbestimmung hat für Jugendliche auch eine persönlichkeitsentwickelnde Komponente: bei einem Mitbestimmungsprozess dabei zu sein und etwas zustande zu bringen trägt zu einem größeren Selbstwertsgefühl bei und man ist in einer Gruppe integriert. Außerdem bringt Mitbestimmung ein Stück weit etwas für die Persönlichkeitsentwicklung:
 
m18: Mitbestimmung einmal auf den Jugendtreff bezogen ist ganz etwas wichtiges, man bekommt ein bisschen mehr Selbstwertgefühl, man kommt sich ein bisschen wichtig vor, das ist etwas ganz Wichtiges im Leben und überhaupt, es muss nicht unbedingt ein eigenes Projekt sein, es kann auch einfach die Raumgestaltung vom Jugendtreff sein, bzw. man macht ein Fest oder man organisiert selbst etwas. Das gibt einfach das Gefühl: man ist etwas wert, man ist wichtig in einer Gruppe, man ist dort integriert. Es ist einfach wichtig. Es gibt viele Entwicklungsmöglichkeiten, man lernt immer dazu. (CdWebRa, 09’44’’ff)
 
 
 
1.10. Partizipation nicht ersetzen durch Materialismus
 
 
Jugendliche identifizieren sich besser mit infrastrukturellen Maßnahmen, wenn sie eingebunden sind. Natürlich freuen sich Jugendliche über alle möglichen Infrastrukturen, wenn sie zufällig auch ihren Vorstellungen entsprechen, das muss aber nicht sein. Dieses Risiko empfiehlt sich nicht einzugehen und es ist auch schade, um die Ressourcen wie Planungskosten, wenn man diese Ressourcen nicht nützt für einen Beteiligungsprozess. Oft ist es umgekehrt, dass man zwar etwas tun will, aber die Ressourcen, vor allem finanzieller Natur, sind nicht vorhanden. Wenn Ressourcen vorhanden sind, dann wäre es schade für die Gemeinwesenentwicklung, einen Partizipationsprozess nicht zu nützen. 
 
m18: Es ist fast leichter zu sagen, was das Gegenteil davon ist, es ist keine Mitbestimmung, wenn man sagt, man macht etwas für Jugendliche und ein Gebäude hinstellt, das nach außen vielleicht gut ausschaut, dass drinnen super eingerichtet ist, das technisch alles inbegriffen hat, alles an Luxus, aber dann ist das für Jugendliche gebaut worden und Jugendliche kommen dann hinein und die sagen dann: das ist aber nicht das, was wir wollen und nichts womit wir etwas anfangen können. (MC JFK A238FF)
m18: Wir haben das auch versucht mit dem Sportzentrum, aber das ist nichts geworden, glaube ich, weil niemand mehr damit gerechnet hat, dass es überhaupt ein Sportzentrum geben wird. Von dem her, sag i, bei dem war auch die Stadt beteiligt, ein Architekt, aber da ist nie jemand gefragt worden, also ich weiß jetzt nicht, wie das genau ausschaut. Ich weiß einmal nichts davon, dass da besonders viel Leute etwas damit zu tun gehabt hätten. (MC JFK A246FF)
m18: Es ist zwar wirklich gemischt aufgebaut, es gibt eine Kegelbahn unten, eine Kletterhalle ist drüben, drüben ist sowieso der Tennisplatz, ob das Eislaufstadion dabei ist, weiß ich nicht. Von der Möglichkeit her ist es sehr bunt gestaltet, was da aber genau drinnen ist, weiß ich nicht, weiß auch keiner so genau. (MC JFK A255FF)
 
 
1.11. Mitbestimmung heißt Verantwortung mit übernehmen
 
 
Jugendliche des Projektes „die Hitte“ in Sillian, die selbst ein Jugendprojekt ins Leben gerufen haben, unterstreichen diesen Aspekt und fordern das Prinzip des „Verantwortung Übernehmens“ auch von ihren Mitgliedern ein, insbesondere von denen, die aktiv in ihrem Team mitarbeiten wollen. Sie sind auch der Meinung, dass das vielen nicht so bewusst ist, was das dann auch bedeutet. Das Jugendteam ist an und für sich in einer ähnlichen Situation, in der oft Gemeinderätinnen/ Fachleute/ Eltern/ Erwachsene usw. sind, die sich immer wieder die Kompetenzfrage der anderen stellen. Beteiligungskompetenzen können aber nur gelernt werden, wenn man auch beteiligt wird oder sich selbst beteiligt, genau so, wie man nur lernt jemanden kompetent zu beteiligen, wenn man jemanden anderen beteiligt. Das sind auch Lernprozesse, die man begleiten kann. Auf alle Fälle ist es besser, diesen Lernprozess einzugehen als prinzipiell Leute ausschließt und sagt, dass die anderen zu unfähig sind, mitzuarbeiten, Verantwortung zu übernehmen. Aus letzterer Dynamik entsteht dann eine Unmenge an Arbeit, weil man immer alles selbst machen will. Lernt man andere zu partizipieren, Aufgabengebiete abzugeben, Verantwortung abzugeben, dann hat das mit moderner Organisationsentwicklung zu tun und letztlich auch mit moderner kommunaler und gesellschaftlicher Entwicklung. Die Kommunikation darüber muss aber parallel intensiviert und gepflegt werden.
 
 
m18: Mitbestimmung ist halt sonst ein heikles Thema, weil Mitbestimmung heißt eigentlich Verantwortung übernehmen und oft, das ist halt schwer, oft wenn man Leuten Verantwortung übergibt, manche können irgendwie die Verantwortung dann nicht tragen, die sind dann zu wenig reif und vor allem bei Jugendlichen ist es auch schwer die Grenze zu finden. (MC SillHitte A475FF)
 
m18: Ich sehe das auch einfach beim Vorstand, die Leute, die da einfach drinnen sind, da sind ein paar Spaßvögel auch dabei, aber unser Obmann ist sehr korrekt, kann sehr viel an Verantwortung übernehmen, er schafft das auch immer wieder, dass Leute auch immer verantwortungsbewusst Verantwortung übernehmen, jede Veranstaltung, die wir machen, das hat eigentlich gepasst. (MC SillHitte A493FF)
 
m18: Jetzt wollen eben die anderen auch mitbestimmen und wo es schwer ist heraus zu filtern, welche Leute können Verantwortung übernehmen. Manche wissen gar nicht, dass sie Verantwortung übernehmen müssen, die meinen immer, das ist so leicht dahin gesagt alles, aber das ist eben schwer, die Grenze zu finden, das passt, wo wir auch im Vorstand diskutiert haben, dass wir einfach vertraut und wir einfach sagen: das haut hin. Das ist halt schwer, aber wir haben halt den Vorteil, dass wir schon seit 3 Jahren uns kennen und die Leute auch schon vor vorher kennen und auch wissen, wem wir vertrauen können. (MC SillHitte A507FF) 
 
 
1.12. mordsmäßig mitbestimmen können
 
m18: Mitbestimmung heißt auf alle Fälle, dass man mordsmäßig mitbestimmen kann, dass man etwas schaffen kann, dass man ein Recht hat, seine Meinung zu sagen und auch mit den Gemeinderäten, dass die auf einen hören und dass wirklich zugehört wird, auch als junger Mensch, dass das auch etwas zählt, die Meinung als junger Mensch. (MC SillHitte A183FF) 
 
 
 
 
2. Kann Jugend auf Mitbestimmung verzichten?
 
2.1. Ist das Jugendalter ein reines „chill out“ – Alter? 
 
Häufig hört man in der Jugendarbeit das Wort „chillen“ von den Jugendlichen selbst. Ist es womöglich so, dass die Bemühungen um mehr Jugendpartizipation an der falschen Altersgruppe ansetzen und das Jugendalter einfach als Lebensphase des „chillens“ angesehen werden sollte, der aktive Partizipationsphasen vor- und nachgelagert sind? Sollte man daher die Bemühungen um mehr Partizipation von Jugendlichen einstellen und die Jugendlichen in Ruhe „chillen“ lassen? Mit diesen Fragestellungen konfrontierte ich beispielsweise die Jugendlichen des Jugendgemeinderates Kufstein: 
 
w17: Nicht von Natur aus, für mich liegt das allein an der Gesellschaft. (Tracer KuJu 61’31“ ff)
 
m18: Das Jugendalter ist eigentlich das Gegenteil von „chill out“, man möchte alles wissen, man entdeckt alles Mögliche, es gibt so viel zu entdecken, man möchte alles erleben, was so geht, das hat eigentlich überhaupt nichts mit „chillen“ zu tun. (Tracer KuJu 62’15“ ff)
 
w17: Das Jugendalter ist auch das Alter, wo man am meisten erreichen kann, weil da hat man so eine Wut in sich auf die Welt, weil man sieht wie es geht, weil man weiß wie es läuft, wenn die Leute sagen: du bist pubertär, für mich ist das gar nicht so, für mich ist erwachsen werden nur etwas wie sich mit etwas abfinden, deswegen finde ich das gar nicht so schlecht, wenn ich als pubertät bezeichnet werde. In dem Alter müsste ich am meisten Lust haben, etwas Neues auszuprobieren. Normal müsste man, wenn man jung ist, am meisten Lust haben, etwas anderes zu machen, man müsste kurz davor sein zu explodieren vor lauter Ideendrang, da wird man aber immer dann verarscht von den Leuten, die immer auf die 1 € Feten gehen. (Tracer KuJu 62’31“ ff)
 
 
2.2. Gibt es eine Sozialisation gegen Partizipation und für Konsum, Desinteresse, Inaktivität? Sozialisation zur 2 € Party?
 
Jugendliche meinen auch, dass Jugendliche heute sich früher mit Verhältnissen abfinden und sich zu wenig mit ihrer Persönlichkeitsentwicklung beschäftigen, was auch für Partizipationsprozesse eine wichtige Grundierung ist:
m18: Jugendliche werden heute viel früher erwachsen, das heißt: sie finden sich heute viel früher ab mit etwas. (Tracer KuJu 63’10“ ff)
 
w18: Die Jugendzeit ist für mich so ein bisschen die Zeit, wo man sich selbst findet, wo man selbst ein wenig auskundschaftet, was man will, dass man dann 18 oder 20 ist und sagen kann, das will ich, einfach reifen, das sagt ja das Wort schon. Dabei sind die anderen von der Gesellschaft schon richtig zugetrichtert. (Tracer KuJu 63’47“ ff)
 
w18: ich habe nichts gegen Leute, die sich nur mit sich selber beschäftigen, aber heute beschäftigen sich die Leute nicht mehr mit sich selber. Ich finde mich zum Beispiel selber, wenn ich mich für etwas engagiere, weil ich weiß, dass ich so ein Mensch bin. (Tracer KuJu 64’53“ ff)
 
w17: Manche beschäftigen sich echt nur mit Diesel – Jeans, mit ihren Hüften, bei mir zum Beispiel sagt immer eine: Ich habe so enge Hüften, ich kann nur Diesel – Jeans tragen. Da gibt es Leute, die müssen unbedingt in ein Lacoste Geschäft hinein, die sagen dann zu dir: ah, du hast ja keinen Stil. Für die Schule darfst du aber nicht zu viel lernen, weil das ist auch total uncool. (Tracer KuJu 65’19“ ff)
 
 
2.3. Partizipation – existentiell wichtig? 
 
Jugendliche des Jugendgemeinderates Kufstein sind auch Mitglieder bei Amnesty International. Die Arbeit bei Amnesty International bezeichneten sie als „essentielle Arbeit“, weil es direkt um Dinge geht, die unsere physische Existenz betreffen. 
 
w17: Amnesty macht einfach essentielle Dinge, sie setzen sich dafür ein, dass Leute nicht gefoltert und umgebracht werden, die das nicht verdient haben, das sind essentielle Dinge, die meine Moral nicht zulässt. Das ist etwas, wo, egal ob ich da Erfolg habe oder nicht, da kann ich nicht aufhören etwas dagegen zu tun, weil ich mich als Mensch nicht wohl fühlen würde, wenn ich da als Mensch nicht dagegen wäre. Bei Gemeindesachen, da stört es mich zwar auch, aber es ist für mich nicht so essentiell, dass ich da immer weiter machen würde. (Tracer KuJu 50’24“ ff)
 
Fragen des nackten Überlebens an und für sich, die ersten beiden „p“s der Prioritäten einer Gesellschaft, also „protection“ und „prevention“ sind auch hier von der Priorität spürbar. Die dritte gesellschaftliche Priorität, das dritte „p“, jenes der Partizipation ist zwar das jüngst artikulierte, aber auch sehr wichtige Vorhaben auch in den Augen der Jugendlichen:
 
w17: Ich finde das schon sehr wichtig, dass es das gibt, deswegen würde ich mir auch mehr Kultur wünschen. Es ist verdammt wichtig, es ist für mich als Person sehr wichtig. Es ist einfach ein anderes Thema. Das geht mir schon ab. Wenn es das nicht gibt, muss ich halt selbst schauen, wo ich das her bekomme. Das ist halt nicht der Idealfall. (Tracer KuJu 53’31“ ff)
 
w18: Ich denke, dass das ganze rationale und materialistische Denken nicht langfristig ist, da fehlt etwas, von dem her ist es sehr notwendig. (Tracer KuJu 53’55“ ff)
 
 
Interessanter Weise zogen die Jugendlichen des Vereins „die Hitte“ aus Sillian einen Vergleich mit den Jugend - Ausschreitungen in Frankreich:
 
m18: Ich würde sagen, ohne Mitbestimmung wird vor allem der Unmut breit, vor allem unter den Jugendlichen, das hat man ja auch in Frankreich gesehen, wo die Ausschreitungen waren, die sind eigentlich auch abgestempelt worden und haben keine Mitbestimmungsrechte gehabt und gar nichts, man sieht wie es bei uns war, da war auch viel Unmut darüber, dass hier nichts los war,  da ist das schon ganz wichtig, wenn man da mitreden kann und so. (MC SillHitte A442FF) 
 
Ohne Mitbestimmungsmöglichkeiten ist es mühseliger Prozesse durchzuführen und Dinge umzusetzen:  
 
m17: Mitbestimmung ist auf alle Fälle wichtig, das ist klar. Wenn man keine Mitbestimmungsmöglichkeiten hat, hat man auch allgemein weniger Möglichkeiten, dann geht alles viel schwerer, bis man wirklich etwas umsetzen kann, es ist halt viel aufwändiger, wenn man ein bisschen mitreden kann und wenn das mehrere Leute sind, dann geht das schon viel besser. (MC SillHitte A456FF)